Dienstag, 19. April 2011

Wie eine Göttin

Ophelia1Ab und zu gönne ich mir eine kleine Pause auf meinem Streifzug durch die zeitgenössische Literatur und kehre zurück zu dem, was früher schon gut und richtig war. Diesmal war das "Ophelia lernt schwimmen" von Susanna Kubelka. Ein fabelhafter Roman, der, obwohl schon 1987 erschienen auf dem Höhepunkt der Emanzenliteratur, nichts von seiner Gültigkeit verloren hat. Meine Mutter schaffte das Buch Ende der 80er Jahre an, als sie gerade frisch getrennt war und die Schnauze gestrichen voll hatte von Männern und Kompromissen. Als ich das Buch einige Jahre später mehr durch Zufall fand, lernte ich, damals zarte zwölf, mehr über Männer und Frauen, flüchtige Liebschaften und Potenzprobleme, als ein Mädchen in diesem Alter wissen sollte. Das war der Anfang einer wunderbaren Liebe zur rotzfrechen Literatur dieser Emanzipationsphase. Danach habe ich sie alle gelesen: "Madame kommt heute später", "Fisch ohne Fahrrad" und so weiter.

Ophelia ist allerdings eine meiner Lieblingsheldinnen geblieben. Über 40, rote Locken, auffällige Gestalt und ein paar Kilo zuviel - so kommt sie nach Paris, um dort als Lektorin zu arbeiten. Ihr Lebenshunger und ihr unschlagbares Selbstbewusstsein sind wunderbar und bescheren ihr bald zahlreiche Liebhaber. Dass die Männer nicht immer das halten, was sie versprechen, schildert Susanna Kubelka gnadenlos und ohne Mitleid auf 315 Seiten. Und eins schafft sie immer wieder: dass die Leserin sich selbst durch Ophelias Augen begreift und sich wie eine Göttin fühlt. Das tut richtig gut! Der unverschämte Witz dieser Emanzipationsphase ist ein wenig in Vergessenheit geraten in unseren vermeintlich gleichberechtigen Zeiten, dabei haben die Spannungen zwischen Frauen und Männern und die Tatsache, dass vieles noch im Argen liegt, nichts an ihrer Aktualität verloren.

"Ophelia lernt schwimmen" ist 1987 bei Goldmann erschienen und ausschließlich gebraucht erhältlich. Bei Amazon für unter einen Euro.

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Zuletzt aktualisiert: 16. Okt, 20:01

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