
Gestern und heute habe ich Doris Lessings "Das fünfte Kind" verschlungen. Ein dünnes Büchlein mit schwerem Inhalt, das dem Leser den Einstieg leicht macht. Im Mittelpunkt stehen Harriet und David, die beide von einer großen Familie träumen und deshalb rasch hintereinander vier Kinder bekommen. Die Familie ist sehr glücklich mit ihrem Leben, auch wenn es oft turbulent und das große Haus immer voll ist. Doch dann wird Harriet zum fünften Mal schwanger, und diesmal ist alles anders. Schon im Mutterleib scheint Ben Harriet zu bekämpfen, und als er schließlich auf die Welt kommt, muss die Familie sich in einem schmerzhaften Prozess eingestehen, dass Ben nicht ist wie die anderen Kinder... Er ist aggressiv und bösartig, tötet Haustiere, seine Geschwister und die eigenen Eltern fürchten sich vor ihm. Er kann kaum sprechen, frisst rohes Fleisch und bleibt stets nur der Nachahmer normaler menschlicher Gefühle. Ben selbst hingegen scheint kein Mensch zu sein.
Was genau er stattdessen ist, bleibt im Dunkeln. Ist Ben behindert? Vielleicht ein genetischer Rückfall, eine Art Höhlenmensch früherer Evolutionsstufen? Dass Lessing sich nicht festlegt, macht sie glaubhaft. Statt Bens Andersartigkeit zu definieren, lässt sie zu, dass sich eine große Befremdung auf den Seiten breitmacht - mit Erfolg: Ich habe während der Lektüre nachts davon geträumt, dass ein bösartiges Baby durch mein gekipptes Fenster krabbeln und mich erwürgen würde.
Ich empfehle "Das fünfte Kind" von Doris Lessing (btb-Verlag, Erstauflage 1988) und werde morgen die Fortsetzung "Ben in der Welt" lesen. Neu für 8,50 Euro, gebraucht bei Amazon für unter einen Euro.
dezembra - 26. Jun, 22:13