
Paulo Coelhos Bücher muss man mögen. Oder nicht. Ich mag sie. Was ich allerdings nicht so sehr mag, ist seine blumige Sprache, die oft etwas, das auch einfach gesagt werden könnte, betont wohlklingend verpackt. Coelhos Figuren sprechen nicht einfach nur, sie leiden in jedem Satz, ihr ganzes Wesen soll bewertbar sein an der Eleganz ihrer Sprache. Vielleicht sind mir auch seine Handlungen - viele Hexen, viele althergebrachte Traditionen, viel Übersinnliches - ein wenig zu überladen. Kaum eine Liebe besteht aus sich selbst, jeder Entschluss, jede Geste hat ihre Rechtfertigung in einer spirituellen Bestimmung. Und doch -
Was ich mag, sind die guten, guten Gedanken in seinen Büchern. Am Wochenende habe ich "Brida" gelesen, das 1990 erstmals bei einem Verlag in Rio de Janeiro erschienen ist. Hauptperson ist Brida, eine 21-jährige Frau, die sich auf den Weg ihrer spirituellen Suche begibt und dabei gemeinsam mit dem Leser erfährt, was es bedeutet, eine Hexe zu sein. Brida reist in vergangene Leben, verbringt eine Nacht im dunklen Wald, findet ihren anderen Teil und eine Meisterin, die sie schließlich initiiert. Zwei mehr oder weniger spirituell- erotische Liebesszenen, einmal lolita-like mit dem wesentlich älteren Magier und einmal mit ihrem eigenen Verlobten Lorens, runden die Handlung ab. Doch auch hier ist Sex nicht einfach nur Sex, sondern benötigt Lichtwesen und Visionen.
Vielleicht wäre ich böse auf Coelho und sein übertriebenes und völlig unnötiges Bemühen, so ganz besonders zu klingen. Denn Bridas Suche ist konfus und führt eigentlich im Prinzip zu nichts. Und auch Brida selbst bleibt eine oberflächliche Figur. Begehrt von zahlreichen Männern, furchtlos, schamlos, unbelehrbar irgendwie, auch wenn der Reifeprozess deutlich gewollt ist: So ist kein Mensch. Menschen zweifeln, schwanken, stellen sich selbst und ihre Suche in Frage.
Vielleicht also wäre ich böse auf den genialen Coelho, wenn er nicht zwischendrin Gedanken tiefer Weisheit einstreuen würde. Denn plötzlich sind da Absätze wie der folgende, die direkt in mein Herz gehen und mich für das ganze Leben bereichern:
"Als Kind war sie häufig nachts voller Angst aufgewacht. Ihr Vater war dann mit ihr ans Fenster getreten und hatte ihr die Stadt gezeigt, in der sie lebten. Er erzählte ihr dann von den Nachtwächtern, dem Milchmann, der bereits die Milch austrug, vom Bäcker, der das tägliche Brot buk. Ihr Vater sagte, sie solle die Ungeheuer verscheuchen, mit denen sie die Nacht bevölkert hatte, und durch die Menschen ersetzen, die in der Dunkelheit wachten. ,Die Nacht ist nur ein Teil des Tages', hatte er sie beruhigt." (24)
Weitere wirklich gute Stellen:
"Die Gärtner werden einander erkennen - denn sie wissen, dass jede Pflanze die Geschichte der ganzen Erde enthält." (Vorwort)
",Wir gehören zu dem, was die Alchimisten Anima Mundi oder Alma Mundi, die Weltenseele, nennen', sagte Wicca, ohne Bridas Frage direkt zu beantworten. ,Tatsächlich würde die Weltenseele, wenn sie sich nur teilte, zwar immer größer, aber auch immer schwächer werden. Daher teilen wir uns, aber wir finden uns auch wieder. Und dieses Wiederfinden heißt Liebe. Denn wenn sich die Seele teilt, teilt sie sich immer in einen männlichen und einen weiblichen Teil. [...]'" (37)
",Alles hat sich bewegt und bewegt sich weiter. Alles verändert sich und wird sich weiter verändern. Doch die gesamte Materie des Universiums ist dieselbe wie vor Milliarden von Jahren. Es ist kein einziges Atom dazugekommen.'" (45)
Mein Fazit: "Brida" ist keins der Coelho-Bücher, die man gelesen haben muss. "Die Hexe von Portobello" und "Veronika beschließt zu sterben" sind weitaus empfehlenswerter. So oder so, blickt beim Lesen durch die Sprache, die nur schön sein will, und haltet Ausschau nach dem, was Paulo Coelhos Bücher wirklich ausmacht: eine große Weisheit, manchmal auch zwischen den Zeilen.
"Brida" von Paulo Coelho ist unter anderem bei Diogenes erschienen und kostet neu ab 9,90 Euro. Gebrauchte Ausgaben sind ab 2,50 Euro erhältlich. "Brida" ist außerdem als Hörbuch erschienen.
dezembra - 21. Feb, 21:03