Samstag, 28. Mai 2011

Das gesprengte Mieder

MiederHeute morgen habe ich Susanna Kubelkas Buch "Das gesprengte Mieder" zuende gelesen. Es ist, soweit ich das überblicke, ihr bisher einziger Roman mit historischem Bezug und unterscheidet sich von dem, was sie ansonsten bisher vorgelegt hat.

Minka, die Heldin des Buches, ist keine Frau in den besten Jahren, sondern, zumindest in der Binnenhandlung, die die eigentliche Erzählung bildet, ein 15-jähriges Mädchen, das mit Gouvernante im ausgehenden 19. Jahrhundert in die belebte Garnisonsstadt Enns in Österreich kommt. Die Handlung besteht aus mehreren Strängen, die parallel erzählt werden. Einmal ist da Minkas eigene Familiengeschichte, die zahlreiche Fragen aufwirft. Warum verweigert ihr Vater ihr die ihr zustehende Mitgift, obwohl die Familie wohlhabend ist? Warum wird ihr Bruder weitaus weniger hochrangig erzogen als sie selbst? Und wer ist der nette Graf Sandor, der ihr nach einem Klavierspiel eine Goldmünze schenkt?
Gleichzeitig entspannt sich auch eine Liebesgeschichte zwischen Minka und dem jungen Offizier Gabor, die zu einer heimlichen Verlobung führt - und sogar zu einem Besuch im Bordell, der für ein Mädchen aus "besseren Kreisen" gerade in der damaligen Zeit ein unvorstellbarer Skandal war.

Minka ist eine Figur ihrer Zeit und als solche zunächst auch ein Produkt der vorherrschenden Moral. Sie wird in ein Mieder geschnürt, droht zu ersticken und lehnt sich dennoch nicht dagegen auf. Bis sie eines Tages auf 42 Zentimeter Taillenumfang geschnürt wird - und das Mieder sprengt. Von da an beschließt sie, nie wieder ein solches zu tragen, und geht somit als leuchtendes Vorbild ihrer Zeit voraus, indem sie sogenannte "Brusttaschen" erfindet, die später als BH bekannt werden. Doch Minka lehnt nicht nur das Mieder ab, sondern auch den Heiratsantrag eines wesentlich älteren Mannes, obwohl ihr Umfeld auf sie einredet, die Vorteile der Verbindung zu nutzen.

Kubelkas erster Versuch eines historischen Romans ist gut gelungen und auch detaillgetreu recheriert. Immer wieder streut sie Einzelheiten ein, die das Buch zu einem glaubhaftigen Abbild der damaligen Zeit machen. Mutig ist auch, dass sie sich damit etwas von dem ihr eigenen Stil entfernt, denn es gibt Leser, die so eine Exkursion übel nehmen.

"Das gesprengte Mieder" von Susanna Kubelka hat 383 Seiten und ist 2002 bei Bastei Lübbe erschienen. Neu bei Amazon ab 3,99 Euro, gebraucht für 1 Cent.

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