Sonntag, 13. Februar 2011

Ein stetiger Kampf

Dunkle-Seite1Das Buch, das ich diesmal besprechen möchte, ist "Die dunkle Seite der Liebe" von Rafik Schami. Ein Werk, dass man getrost sowohl episch als auch monumental nennen kann. Ich glaube, ich habe insgesamt eineinhalb Monate gebraucht, um es zu lesen, obwohl ich alle anderen Bücher in dieser Zeit außer Acht gelassen habe.

Rafik Schami gibt ein fast allumfassendes Bild von der arabischen Lebensweise, und nicht weniger hatte er sich vorgenommen, als er vor mehr als 20 Jahren begann, das Buch in Damaskus, Beirut und Heidelberg zu schreiben: "Man müsste, dachte ich damals als Sechszehnjähriger, der die Welt als eine unendliche Kette von Geschichten sah, einen Roman über alle Spielarten der verbotenen Liebe in Arabien schreiben, und ich wünschte mir dies mit der ganzen Naivität eines Liebenden", schreibt er im Schlusswort seines Buches, das er im Lauf der Jahre immer wieder überarbeitet hat und schließlich erst 2004 herausgab.

Im Mittelpunkt der opulenten Erzählung, die im syrischen Damaskus angesiedelt ist, stehen die Liebenden Rana und Farid. Weil sie zwei seit Generationen verfeindeten Familien entstammen, ist ihre Liebe unmöglich. Was klingt wie eine arabische Kopie von Romeo und Julia ist der rote Faden, der durch dieses 1034 Seiten starke Werk führt. Erzählt wird drumherum noch so viel mehr, dass es schlicht nicht zusammengefasst werden kann. Schami thematisiert nicht nur die jeweiligen Familiengeschichten der Schahins und Muschtaks, sondern auch die Schicksale und Eigenheiten aller Nebenfiguren, der Nachbarn, der Schulkameraden im Kloster... Dabei gehören Farid Muschtak und seine Liebesgeschichte streng genommen eher zur Binnenhandlung, denn der Plot beginnt mit einem Mord und den dazugehörigen Ermittlungen eines gewissen Kommissars. Dann taucht Schami ab in die facettenreiche Welt seiner Figuren, und als der Mord am Ende erneut thematisiert und für den Leser aufgelöst wird, hat der ihn im Prinzip schon vergessen.

Es gehört Geduld dazu, die erste Hälfte des Buches über am Ball zu bleiben. Gerade die zahlreichen Erzählstränge sind manchmal etwas verwirrend, und auch die für europäische Leser ungewohnten arabischen Namen und deren stetige Wiederholung bei anderen Figuren sind zunächst ungewohnt. Doch wer sich dazu entschließt, sich auf die Schahins und Muschtaks, die Frage der arabischen Ehre, eine unendliche Fülle von Geschichten und politischem Leiden einzulassen, der wird reich belohnt. Nicht nur mit einer endlosen Geschichte, sondern auch mit einem tieferen Verständnis für die arabische Welt. Seit der Lektüre sehe ich viele Dinge klarer und verstehe, warum es immer wieder zu Missverständnissen zwischen der westlichen und der arabischen Welt kommt.

"Die dunkle Seite der Liebe" von Rafik Schami ist unter anderem im dtv-Verlag erschienen und kostet neu 12,90 Euro. Bei Amazon ist das Buch gebraucht ab etwa 3,70 Euro erhältlich.

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