Sterben, um zu leben

Muriel Barberys Zweitling erschien bereits 2006 in französischer Originalversion. 2008 folgte die deutsche Übersetzung, die auf der SPIEGEL- Bestsellerliste bis auf Platz 5 kletterte, um ein Jahr später schließlich verfilmt zu werden. Ich selbst wurde darauf aufmerksam, weil das Buch eine fünfspaltige Besprechung in einer Zeitschrift erhielt und dort noch in diesem Herbst fälschlicherweise als Neuerscheinung angepriesen wurde.
Über "Die Eleganz des Igels" lässt sich sicher vieles sagen. Aber eins sollte stets vorweg gehen: Dieses Buch ist von der ersten bis zur letzten Seite angefüllt mit guten Dingen. Es finden sich philisophische Betrachtungen über das Leben, persönliche Erkenntnisse der Hauptfiguren, ein wenig Eminem und ein sanfter japanischer Aspekt, den man im Paris des neuen Jahrtausends so nicht erwartet hat.
Die Handlung spannt sich auf zwischen Renée Michel, der unscheinbaren Concierge eines edlen Wohnhauses in der Rue Grenelle 7, und der zwölfjährigen Paloma, die in ebendiesem Haus mit ihrer Familie lebt. Beide wechseln sich als Ich-Erzählerinnen ab und kommentieren auf köstliche Weise und von unterschiedlichen Standpunkten aus die Bewohner des Hauses, deren Beziehungen und die Geschehnisse. Renée Michel selbst ist hochintelligent, versucht dies jedoch zu verbergen. Warum, wird erst gegen Ende erklärt, soll hier aber nicht verraten werden, da es zum Spannungsbogen der Erzählung beiträgt. Auch Paloma ist außerordentlich intelligent und vielleicht ein wenig altklug, doch ihre Lebensbetrachtungen sind ebenso lehrreich wie bemerkenswert. Paloma ist frustriert von der mangelnden Schönheit der Welt und hat daher beschlossen, sich an ihrem 13. Geburtstag das Leben zu nehmen. Außerdem will sie die Wohnung der Familie anzünden. So leben beide einsam vor sich hin, gefangen in einem Umfeld, das sie völlig verkennt. Erst, als der sensible und hochgebildete Kakuro Ozu ins Haus einzieht, kommt Bewegung in die Geschichte. Dadurch entsteht Kontakt zwischen der einsamen Concierge und dem isolierten Mädchen, außerdem je eine Freundschaft zwischen dem neuen Bewohner und den Erzählerinnen. Und auch eine Liebesgeschichte klingt an, wird jedoch nicht ausgesprochen oder gar ausgeführt.
Nur so viel sei gesagt: Als Renée Michel begreift, dass sie sich selbst ihr ganzes Leben lang unter Verschluss gehalten hat, trifft sie die Entscheidung, ihr selbst gewähltes Exil zu verlassen. Die Konsequenz markiert zugleich das Ende des Buches: Es geschieht ein Unglück. Die Frage, ob die Entwicklung der Figur Madame Michel dieses Opfer wert war, muss letztlich jeder Leser für sich selbst beantworten.
Ich sage: Ja!
Der Roman "Die Eleganz des Igels" ist 2008 bei dtv Premium erschienen und kostet 14,90 Euro, gebraucht bei Amazon ab 2,46 Euro.
dezembra - 13. Feb, 22:15